Mähen mit der Sense
An Frühsommertagen,
morgens bei zeit,
ist das Arbeiten mit der Sense wohl am schönsten.
Zusammen mit der Sonne bin ich aufgestanden und raus in den Garten
gegangen, wo ich jetzt im taunassen Gras stehe, während mich
die Vögel begrüßen. Gestern habe ich das Blatt
frisch gedengelt und wähle nun den harten, feinen Wetzstein
aus, mit dem ich die Schneide schärfe.
Dann
setze ich das Blatt auf den Boden, nehme die Griffe locker, aber
bestimmt in die Hand und beginne, meinen Oberkörper, mit
kleinen Schrittchen vorwärts, rhythmisch hin und her zu wiegen.
Ich sehe meine Sense vor mir, wie sie dicht über dem Boden
durch das Gras flutscht und nach jedem geschwungenen Bogen einen
weiteren, sauber abgeschnittenen Büschel nach links vor den
Haufen schiebt.
Es
geht wie von alleine und meine Gedanken machen sich selbstständig.
Ich sortiere den Tag, freue mich aufs Frühstück und
überlege, wie ich die vor mir liegenden Arbeiten und Aufgaben
am besten angehe.
Ich spüre, wie sich die Wirbelsäule sanft hin und her
dreht, wie meine Gelenke und Muskeln die vertraute Bewegung ausführen
und wie mein Aus- und Einatmen sich dem Rhythmus anpasst; oder
ist es umgekehrt?
Dann
merke ich, dass die Schärfe nachlässt, bücke mich,
um einen Grasbüschel zu nehmen und stelle meine Sense umgekehrt
vor mich. Ich wische Halme und die nasse Erde vom Blatt, die beim
Abmähen der Ameisenburg dort kleben blieb und fege dann mit
dem Wetzstein aus meinem Köcher am Gürtel flink links
und rechts am Metall entlang.
Bevor
ich weiter mache, schaue ich mich um. Noch ist es friedlich. Nur
Vogelgesang, Insektensummen, süßer Geruch aus Blüten
und saftigem Bewuchs und das sanfte Wosch meiner Sense begleiten
den Sonnenaufgang. - Ob die Nachbarn heute auch mähen werden,
- auf ihre Weise und mit ganz anderen Gerätschaften?
Als
der Mensch sesshaft wurde und begann Ackerbau und Viehzucht zu
betreiben, entwickelte er Geräte zum Schneiden von Getreide
und Gras, vielleicht schon Vorläufer der Sense. Ab Ende des
Mittelalters entstand dann die Form, die sich bis heute kaum noch
verändert hat. Mit der Sense haben wir es also mit einem
perfekt ausgereiften Arbeitsgerät zu tun.
Leider
wurde die Sense seit den 1980er Jahren allmählich durch allerlei
motorbetriebene Maschinen nahezu vollständig ersetzt. Das
Wissen um ihre Handhabung, ihre Instandhaltung und die Kunst,
ihre Schneide wirklich scharf zu bekommen, ging dabei fast verloren.
Mittlerweile bemerken aber immer mehr Leute, dass die gute
alte Sense gegenüber den sogenannten Freischneidern
unschlagbare Vorteile besitzt:
--
Sie ist immer zuverlässig und versagt nie den Dienst.
-- Ihre Anschaffungskosten sind niedrig und einmalig.
-- Man kann überall mit ihr arbeiten, auch im widrigsten
Gelände.
-- Sie ist leicht und gut zu transportieren.
-- Sie braucht kein Benzin, Öl oder Strom.
-- Sie springt immer an.
-- Sie braucht keine teure Wartung und Ersatzteile und muss nicht
in Reparatur.
-- Sie belästigt und provoziert keine Dritten durch Lärm
und Gestank.
-- Sie verteilt keine Plastikfasern über das Land, bzw. in
das Mähgut.
-- Sie kontaminiert nicht das Mähgut mit unverbrannten Kraftstofftröpfchen.
-- Sie schneidet das Mähgut und zerfasert es nicht, wodurch
es sich als Tierfutter überhaupt erst eignet.
-- Durch ihren glatten Schnitt werden die Pflanzen am Boden rasch
wieder grün und trocknen nicht infolge eines zerfetzten Endes
noch zentimeterweise nach unten ein.
-- Sie vergiftet die mähende Person nicht über die Atemwege
mit Kohlenwasserstoffen, Feinstaub und anderen Abgasen.
-- Sie belastet die Körperzellen nicht mit sehr schädlichen
Dauervibrationen durch den Motor am Leib.
-- Sie schont die Tiere, die am Boden und im Mähgut leben.
-- Sie ordnet das Mähgut während des Schneidens in Bahnen,
sodass es später schneller abgeräumt werden kann.
-- Beim Mähen von gestrüppartigem Aufwuchs mit "Querarmierung"
(Brombeerranken, Klettenlabkraut, Zaunwinde, ö.Ä.) lässt
die Sense sich als hakenartiges Werkzeug verwenden, um die Grünmasse
aus dem Weg zu heben.
-- Bei der Weg- und Straßenrandpflege schleudert sie das
Mähgut nicht auf die Fläche, so dass man sich das Kehren
nachher sparen kann.
-- Sie ist bei routiniertem Respekt vor der Schneide sehr viel
ungefährlicher für den Menschen.
-- Mit ihr geht die Arbeit in 95% aller Fälle deutlich schneller.
-- Sie ist geräuschlos, und man kann mit ihr auch Sonntags
mähen.
-- Sie ist bei richtiger Handhabung ein ideales Fitnessgerät,
beansprucht auf schonende Weise alle Gelenke und Muskeln und hält
jung.
-- Sie regt während des Arbeitens die Fantasie an und ermöglicht
klares Denken.
-- Eine mit der Sense 1 bis 2 mal gemähte und abgeräumte
Fläche wird optimal abgemagert und bald zur Blumenwiese und
zum Insektenparadies.
-- Sie schont die Ressourcen des Planeten, weil sie nur ein Pfund
Stahl für die Benutzung über etliche Jahrzehnte benötigt.
-- Das Arbeiten mit ihr ist völlig CO2-neutral, und verursacht
auch keine anderen Schäden an den natürlichen Lebendgrundlagen
der Menschen.
-- Das Mähen mit der Sense ist absolut krisenfest und ein
Inbegriff völlig autarken Arbeitens.
-- Sie ist ein sozialverträgliches Werkzeug und wertet die
dem Menschen angeborenen Fähigkeiten und seine Geschicklichkeit
auf.
-- Und hierbei habe ich sicher noch weitere Punkte vergessen.
Es
gibt also für Leute, die regelmäßig etwas zu mähen
haben, nur vernünftige Gründe, warum sie den Umgang
mit der Sense erlernen und pflegen sollten.